Systematische Studien zur Schaumprävention und -inhibierung durch Identifikation von Oberflächen-Nichtexistenz-Domänen und ihre Realisierung mittels adaptiver Gestaltung von Kolonnenfüllkörpern und -packungen.
Motivation
Kolonnenfüllkörper und -packungen (Billet & Schultes, 1999) dienen dem effektiven Transport von Stoff und thermischer Energie zwischen zumeist einem Gas und einer Flüssigkeit etwa in Extraktions-, Absorptions-, Destillations- und Rektifikationskolonnen dienen. Durch ihre spezielle Struktur und Anordnung schaffen die funktionswirksamen Kolonneneinbauten hierzu möglichst große Grenzflächen zwischen beiden. Während das Gas vom Kolonnenboden zum -deckel strömt, fließt die Flüssigkeit in Gegenrichtung als Rieselfilm, Rinnsal oder Tropfen entlang der Einbautenoberflächen. Der dabei zwischen den Phasen stattfindende laminare oder turbulente Impulstransport bestimmt das mechanisch empfindliche Grenzflächenverhalten. Kolonneneinbauten verfügen daher per se über das Potential, neue Grenzflächen (Primärschaum) zu generieren. Sie vermögen aber auch, den Primärschaum durch (partielle) Zerstörung unter Bildung von Sekundärschäumen zu modifizieren. Für das hier im Fokus stehende physikalische Schaummanagement spielt daher die Dynamische Nettoschaumbilanz (DNSB):
DNSB=∑Schaumbildungseffekte – ∑|Schaumzerstörungseffekte|
eine Schlüsselrolle. Nur negative Werte dieser Bilanz im stationären Betrieb einer Kolonne verhindern die Entstehung störender Schaumdecken. Hieraus resultiert unmittelbar die Frage nach den stofflichen und prozesstechnischen Randbedingungen sowie nach dem Existenzbereich eines Schaums. Für ein effizientes Schaummanagement besitzt das Verhältnis der charakteristischen Prozesszeit und der Existenzzeit, d.h. die (hier verallgemeinerte) Deborahzahl
grundlegende Bedeutung. Die hier zu erarbeitenden physikalischen Maßnahmen sollen durch effektive Zerstörung und Reduzierung der charakteristischen Existenzzeit negative Werte von DNSB und hohe Werte von De zu jedem Produktionszeitpunkt gewährleisten.
Forschungsziel und Arbeitshypothese
Die Arbeitshypothese (AH) dieses Vorhabens lautet, dass sich die Blasen- und somit die Schaumentstehung durch die gezielte Schaffung von physikalischen Zuständen ggf. inkl. Anfangs- und Randbedingungen vermeiden (De→∞) oder zumindest signifikant inhibieren lässt. Dies gelingt insbesondere durch Identifikation von Domänen, in welchen die zur Schaumbildung notwendigen statischen und/oder thermofluiddynamischen Verhältnisse nicht existieren. Die Validierung der AH geschieht in der Hauptsache an durch adaptive Gestaltung optimierten Kolonnenfüllkörpern sowie geordneten und ungeordneten Packungen.
Versuche, Modelle und Ansätze
Aufgrund der von den fluidischen Transportprozessen induzierten Kräfte gestaltet sich die Identifikation von Nichtexistenz-Domänen im dynamischen Fall sehr komplex. Ihre Beschreibung erfordert eine Ergänzung der für die Berechnung statischer Oberflächen geltenden, nicht-linearen Young-Laplace-Gleichung um jene Terme, welche die an der Oberfläche angreifenden Tangential- und Normalspannungen beschreiben. Dies bedarf aber der zusätzlichen Lösung der ebenfalls nicht-linearen strömungsmechanischen Grundgleichungen. In theoretisch-analytischen, numerischen und experimentellen Untersuchungen an polygonalen Gefäßen, Ecken/Kanten, Kolonnenfüllkörpern und -packungen beabsichtigt dieses Vorhaben mit dem Schwerpunkt auf lokalen, isothermen Betrachtungen in einem ersten Schritt, Nichtexistenz-Domänen unter statischen und thermofluiddynamischen Kontinuums-Gleichgewichtsbedingungen zu identifizieren. Experimentell werden für die Messungen bevorzugt nicht-invasive Laser-Verfahren an transparenten und brechungsindexangepassten Medien eingesetzt. Zur Bestimmung der Oberflächengeometrie und -verteilung dient eine Hochgeschwindigkeitsvideokamera, das Geschwindigkeitsfeld wird mit der Partikel Image Velocimetry und Partikel Tracking Velocimetry untersucht.

Forschungsstelle
Lehrstuhl für Strömungsmechanik LSTM
Department Chemie- und Bioingenieurwesen
Universität Erlangen-Nürnberg,
Institutsleiter: Prof. Dr. Antonio Delgado
Projektleiter: Dr. Lidia Almazán
Projektmitarbeiter: Dr. rer. nat. Nikola Topic
Literaturverzeichnis
-Billet, R. & Schultes, M. (1999) ‘Prediction of Mass Transfer Columns with Dumped and Arranged Packings’, Chemical Engineering Research and Design, 77(6), pp. 498–504.
–Wei, W. R., Xu, W. L., Den, J., Tian, Z. & Zhang, F. X. (2017) ‘Free-surface air entrainment in open-channel flows’, Science China Technological Sciences, 60(6), pp. 894–901.