Teilprojekt 5 (AiF)

Entwicklung optimaler Konzepte für Design und Betrieb von strukturierten Packungskolonnen mittels systematischer Untersuchungen in Schaumkanälen und Schaummesszellen

Motivation
Bei der Aufbereitung fluider Stoffgemische nimmt die Rektifikation, Absorption und Desorption in Kolonnen mit Böden und Packungen (strukturiert und unstrukturiert) eine herausragende Stellung ein. Dabei eignen sich Packungen besser für den Betrieb mit schaumfähigen Medien (Sattler, 2012, S. 276; Gorak und Olujic, 2014, S. 29), weshalb auf die weitere Betrachtung von Bodenkolonnen verzichtet wird. Beim Betrieb von Kolonnen wurde Schaum als eine der Hauptursachen von Störungen identifiziert, wobei von insgesamt 900 untersuchten Fällen Schaumbildung ca. fünfzigmal die Hauptursache war (Kister, 2003). Allerdings kann Schaum oft nicht eindeutig als Ursache einer Betriebsstörung identifiziert werden, sodass die tatsächliche Fallzahl wohl um einiges höher liegt. Tritt Schaum in Kolonnen auf, verringern sich die möglichen Durchsätze drastisch, der Stoffübergang wird schlechter, es droht die Kontamination nachgeschalteter Apparate oder die Kolonne muss sogar ganz abgefahren werden, was hohe Kosten verursacht.
Obwohl Schaum ein derartiges Problem beim Betrieb von Kolonnen darstellt und die prinzipiellen Ursachen und Mechanismen der Schaumbildung bereits in der Literatur zu finden sind, gibt es bislang kaum Erkenntnisse zu den komplexen Bildungs- und Zerfallsprozessen innerhalb dieser Apparate. Insbesondere sind die lokal notwendigen Betriebsbedingungen, Geschwindigkeitsprofile und Geometrien, welche den Schaumzerfall begünstigen, nicht bekannt. Systematische Studien in praxisrelevanten Geometrien wurden hierzu bislang nur vereinzelt durchgeführt. Daher existieren bisher keine effektiven Methoden, um die Schaumbildung zu vermeiden oder entstehenden Schaum in Packungskolonnen wieder zu zerstören. Eine Ausnahme bilden mechanisch betriebene Rotoren oder chemische Entschäumer, welche jedoch ebenfalls Nachteile aufweisen. Die bereits entwickelten Methoden zur Charakterisierung von Stoffsysteme hinsichtlich ihrer Schaumneigung hatten bislang nur geringe Auswirkungen auf das Design (beispielsweise die Vergrößerung einzelner Anlagenteile) oder die Betriebsweise der entsprechenden Trennkolonnen sowie die Entwicklung neuer Methoden zur Schaumzerstörung.
Hierdurch können sich jedoch reale wirtschaftliche Vorteile ergeben. In diesem Fall sinken die Investitionskosten der Anlagen, da keine zusätzlichen Sicherheitsaufschläge im Fall von Schaumbildung und dem damit verbundenen Abfall der Trennleistung und der Kapazität berücksichtigt werden müssen. Hinzu kommen geringere Ausfall- bzw. Standzeiten infolge von Notabschaltungen bei Schaumbildung, was geringere Produktionsverluste und somit höhere Gewinne ermöglicht.

In diesem Forschungsvorhaben wird dabei die Verdampfung der Schaumlamellen infolge von Blasenverdampfung explizit ausgeklammert, da dies einen wichtigen Effekt bei den in TP4 dieses Forschungsclusters studierten Verdampfungsprozessen darstellt. Ebenfalls nicht betrachtet wird die in TP1 durchgeführte (mathematisch/numerisch-basierte) Entwicklung neuartiger Packungsformen. TP5 behandelt somit ausschließlich Modifikationen kommerziell bereits erhältlicher Packungen, steht dabei aber im engen Austausch mit den genannten Teilprojekten. Die genannten Modifikationen

Forschungsziel und Arbeitshypothese
Dieses Forschungsvorhaben setzt sich das Ziel, auf Grundlage von zwei- und dreimensionalen Untersuchungen neuartige Designs sowie Betriebskonzepte für Packungskolonnen beim Einsatz mit schäumenden Medien experimentell in einem verkleinerten Maßstab zu erarbeiten, um eine negative dynamische Netto-Schaumbilanz (DNSB) zu erreichen:

DNSB=∑Schaumbildungseffekte – ∑|Schaumzerstörungseffekte|

Dabei wird von folgender Arbeitshypothese ausgegangen: Die Orte der Schaumbildung sowie die dabei vorherrschenden Geschwindigkeitsfelder in der Flüssigkeit lassen sich (i) optisch anhand von PIV, Particle-Tracking-Velocimetry (PTV) sowie LIF für vereinfachte ebene Geometrien und verschiedene Materialien identifizieren und studieren und (ii) durch Manipulation des Kontaktwinkels abmildern. Auf dieser Grundlage ist es möglich, den Einfluss von Mikro- und Makrostruktur sowie der verwendeten Packungsmaterialien auf die Schaumbildung zu bewerten. Ferner kann die Schaumneigung auch mit geeigneten Modifikationen an den Packungen reduziert werden. Zur aktiven Schaumzerstörung kann gemäß Mantelantrag Ultraschall eingesetzt werden. Die Einbringung dieser Technologie in eine Kolonne ist jedoch nicht trivial. Um hierfür eine Methodik und eine sinnvolle Positionierung zu wählen, sind Voruntersuchungen notwendig, welche in der Schaummesszelle stattfinden können. Darüber hinaus kann die Schaumbildung durch (temporäre) Oszillation oder Pulsation der Gasströmung beeinflusst. Die in diesem Forschungsvorhaben konzipierten Lösungsansätze können anschließend (in TP8) direkt oder mit Skale-up-Methoden auf einen größeren Maßstab übertragen und dort mit geringem Aufwand umgesetzt werden. Weiterhin lassen sich aus den Erkenntnissen Aussagen zum Design ableiten.

Versuche, Modelle und Ansätze
Um die Arbeitshypothese zu validieren, werden (i) Messungen mit LIF und PIV durchgeführt, um für Packungsmaterialien (unterschiedliche Kontaktwinkel) den Einfluss der Mikrostruktur auf eventuelle Schaumneigung zu untersuchen (2D), indem die Entstehungsorte von Schaum  (LIF) und die bei der Schaumentstehung vorherrschenden kritischen Geschwindigkeitsprofile (PIV) identifiziert werden, (ii) mithilfe von LIF und PTV die Makrostruktur untersucht (3D) sowie (iii) eine entwickelte Schaummesszelle (DN80) aus einem Vorgängerprojekt wieder in Betrieb genommen. Außerdem werden Möglichkeiten der Packungsmodifikation zur Schaumvermeidung (Schaumkanal+Messzelle) sowie Konzeptvorschläge zur Einbringung der schaumzerstörenden Ultraschall-Aktoren unter annähernd realen Bedingungen getestet (Messzelle, 3D). Alle Ergebnisse dienen zur Ableitung von Design- und Betriebskonzepten, welche einerseits in TP8 dieses Forschungsvorhabens in einer DN300-Kolonne umgesetzt werden sollen und andererseits kontinuierlich mit dem projektbegleitenden Ausschuss diskutiert werden, um die entwickelten Designkonzepte für neue Packungs(materialien) hinsichtlich der Herstellung und ihrer industriellen Umsetzbarkeit zu bewerten. Außerdem stellt das Forschungsvorhaben seine Ergebnisse dem in TP8 zu entwickelnden Prognosetool zur Schaumproblematik für die Industrie zur Verfügung.

Abbildung 1: Arbeitspakete des Forschungsvorhabens und deren Verknüpfungen.
Abbildung 2: In AiF-Projekt „Schäumende Medien in Packungskolonnen“ entwickelte Schaummesszelle.
Abbildung 3: 300 mm Packungskolonne

Ergebnisse

Forschungsstelle
Institut für Prozess- und Verfahrenstechnik – FG Dynamik und Betrieb technischer Anlagen
Technische Universität Berlin

Institutsleiter: Prof. Dr. Jens-Uwe Repke
Projektleiter: Prof. Dr. Jens-Uwe Repke
Mitarbeiter: Dipl.-Ing. Hannes Leuner
Mitarbeiter: Dipl.-Ing. Sören J. Gerke

Literaturverzeichnis
-Sattler, K., 2012. Thermische Trennverfahren. Hoboken: John Wiley & Sons
-Gorak, A. und Olujic, Z., 2014. Distillation: Equipment and processes. [e-book]. Burlington: Elsevier Science. <http://gbv.eblib.com/patron/FullRecord.aspx?p=1719975>
-Kister, H. Z., 2003. What Caused Tower Malfunctions in the Last 50 Years? Chemical Engineering Research and Design, Band 81, pp. 5–26.