Experimentell validierte ingenieursmäßige Optimierung gekoppelter Impuls-, Energie- und Stofftransportprozesse in Behandlungsanlagen schaumfähiger Lebensmittel
Motivation
Während der Prozessierung schaumfähiger Medien wie Lebensmittel oder chemische Produkte, erfordert die störende Wirkung von Schaum auf den sich überlappenden Transport von Stoff-, Impuls- und Energie besondere Aufmerksamkeit. Speziell bei thermischen Trennverfahren kommt es in den jeweiligen Rektifikations- oder Destillationskolonnen zu Veränderungen der Phasen, die unter Nichtgleichgewichtsbedingungen geschehen, abhängig von den jeweils vorliegenden konvektiven und diffusiven Verhältnissen. Inhibierungsmaßnahmen von unerwünschtem Schaum können dabei nur durch eine tiefgreifende Aufklärung der Mechanismen bezüglich der Schaumentstehung und -stabilität erzielt werden. Mittels Kopplung mikro- und makroskaliger Modellierungsansätze soll in diesem Teilprojekt eine Optimierung der Stoff-, Impuls- und Transporteffekte erfolgen, um auftretenden Schaum zu minimieren.
Forschungsziel und Arbeitshypothese
Das Forschungsziel des Teilprojekts besteht in der ingenieursmäßigen Optimierung gekoppelter Stoff-, Energie, und Impulstransporteffekten in großskaligen Kolonnen und Verdampfern bei der Prozessierung schaumfähiger Lebensmittel. Die zugrundeliegende Arbeitshypothese besagt, dass auftretender Schaum anhand der Betriebsparameter und Geometrie der Einbauten minimiert werden kann. Dadurch soll der Betrieb mit schaumfähigen Medien effizienter gestaltet, beziehungsweise erst ermöglicht werden.
Insbesondere thermische Effekte wie Kondensation und Verdampfung innerhalb der Blasenberandung im Schaum sollen in diesem Teilprojekt berücksichtigt werden. Auftretende Phasenänderungen induzieren kollabierende Blasen, die sich über das gesamte Schaumcluster fortpflanzen können. Dadurch erzeugte Schwankungen in der Lamellendicke und im Gradienten der Oberflächenspannung unterstützen interlamellare Strömungen wie den Gibbs-Marangoni-Effekt, sodass eine gekoppelte Betrachtung des Wärme- und Massentransports substanziell für die physikalisch fundierte Betrachtung des Schaums ist.
Weiterhin wird angenommen, dass innerhalb einer Kolonne je nach Gas- und Flüssigkeitsanteil des Mediums verschiedene Schaumregime vorzufinden sind. In Abhängigkeit des internen Impulsaustausches, der Viskosität und Elastizität der Lamellen, der Oberflächenspannung, sowie der Gas- und Flüssigkeitszusammensetzung variiert das Fließverhalten und die Lebensdauer des Schaums.
Schlussendlich soll mithilfe der Kopplung mikro- und makroskaliger Modelle eine große Bandbreite an Energie-, Impuls- und Stofftransporteffekten in verschiedenen Zeit- und Längenskalen realisiert werden. Dadurch können die eingangs genannten mikroskaligen Effekte wie Gibbs-Marangoni und kollabierende Blasen im makroskaligen Modell implementiert werden und das Fließverhalten von Schäumen in großskaligen Anlagen realistisch abgebildet werden.
Versuche, Modelle und Ansätze
Dieses Teilprojekt verfolgt den Ansatz, die Schaumdynamik vorerst getrennt auf einer Meso- und Makroskala zu modellieren. Mesoskopisch wird ein Lattice-Boltzmann Modell (LBM) genutzt um die Schaumdynamik im diskreten (Lagrangeschen) Bereich zu modellieren. Um die Randbedingungen für die makroskaligen Simulationen festzulegen, müssen also Blasen in einem separaten LBM-Löser behandelt werden. Der Ansatz besteht darin, eine mehrphasige Mehrkomponenten-LBM unter Berücksichtigung der Wärmeübertragung und des Phasenwechsels einzusetzen, sowie das nicht-newtonsche Ostwaldsche Fließgesetz zur Modellierung der Flüssiglamelle umzusetzen. Verdampfungs- und Kondensationsenthalpien werden im Wärmeübertragungsprozess und in den verformbaren Schaumstrukturen berücksichtigt. Die Blasenverformung kann im LBM mit Hilfe der Shan-Chen-Pseudopotentialmethode erfasst werden, die speziell auf höhere Dichteverhältnisse abgestimmt ist, während das Temperaturfeld mit einer separaten LBM-Verteilungsfunktion bearbeitet wird.
Unter Annahme des thermodynamischen Gleichgewichts wird beabsichtigt im Rahmen von Kontinuumsansätzen, klassische numerische Tools (Finite-Volumen-Verfahren) und die Euler-Euler-Beschreibung einzusetzen, um ein makroskopisches Modell zu erarbeiten. Dabei wird Schaum innerhalb des iMUSIG Modells mithilfe von Topologiefunktionen detektiert und die Impulsbilanz sowie die Massentransferraten zwischen den Phasen gezielt angepasst. Dadurch wird ermöglicht, dass sich das Schaumvolumen gemäß einer Netto-Schaum-Bilanz in Abhängigkeit der Maßnahmen der Schaumprävention und -inhibierung verändert. Die Berücksichtigung der Turbulenz geschieht mit klassischen Turbulenzmodellen (RANS) in zeitlicher Mittelung und wird in Kooperation mit den anderen Teilprojekten erarbeitet. Die Ansätze im makroskaligen Modell erlauben es, Prozesse in großdimensionierten Bereichen von Kolonne und Verdampfer mit angemessenem numerischem Aufwand zu simulieren.
Schlussendlich dient eine Kopplung der mikro- und makroskaligen Ansätze mithilfe eines Übergabevektors der Ausgangsvariablen zur gesamtheitlichen Modellvalidierung durch Daten aus den verschiedenen beteiligten Teilprojekten. Aus den validierten Simulationsergebnissen sollen durch Daten- und Modellkondensation leicht verständliche und handhabbare Betriebsfenster erarbeitet werden, die sich für die Optimierung im Praxiseinsatz gut eignen.


Forschungsstelle 1
Institut für Lebensmitteltechnologie und Lebensmittelchemie
FG Lebensmittelbiotechnoogie und -prozesstechnik
Technische Universität Berlin
Fachgebietsleiterin: Prof. Dr. Cornelia Rauh
Projektleiter: Christopher McHardy, M.Sc.
Mitarbeiter: Thomas Bernstein, M.Sc.
Forschungsstelle 2
Lehrstuhl für Strömungsmechanik LSTM
Universität Erlangen-Nürnberg, Department Chemie- und Bioingenieurwesen
Institutsleiter: Prof. Dr. Antonio Delgado
Projektleiter: Dr. Bernhard Gatternig
Mitarbeiter: Mohammad Mobarak, M.Sc.