Praxisrelevante Optimierungs- und Bekämpfungsstrategien prozessbeeinflussender Schaumdynamiken in Destillationsanlagen der Lebensmittel- und chemischen Industrie.
Motivation
Anlagenbetreiber der destillativen Industrie sehen sich regelmäßig mit Störeffekten durch unerwünschte Schaumbildungen in der Brüdenphase konfrontiert. Schaumbildungen können dabei zu Änderung von Massen-, Impuls- und Energietransporteffekten führen. Insbesondere akkumulierende Schaumstände führen zu einer Verringerung möglicher Durchsätze und einer reduzierten Trennleistung durch Rückvermischungseffekte. Dadurch ergeben sich bioökonomische Mehrkosten für die Industrie. Ein Verschleppen von akkumulierenden Schaumfraktionen kann dabei bis zur Beeinträchtigung der Produktqualität führen und im Extremfall einen Produktionsstillstand verursachen.
Die Forschungsstellen möchten durch den Einsatz industrierelevanter Destillationsanlagen einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung von Schaumbildungsmechanismen leisten. Ein weiterer zentraler Punkt liegt bei der Erarbeitung physikalischer Schaumzerstörungsstrategien, welche der Industrie als Grundlage zur Etablierung von Vermeidungsstrategien dienen soll.
Forschungsziel
Das übergeordnete Ziel des Forschungsprojekts ist die Entwicklung von technologisch-physikalischen Verfahren zum Schaumanagement in praxisrelevanten Destillationsanlagen der lebensmitteltechnologischen und chemischen Industrie. Unternehmen im Bereich der destillativen Industrie werden für eine optimale Schaumprävention und –inhibierung bei dem Anlagendesign und der Prozessbetriebsweise unterstützt. Hierfür ist die Erarbeitung, Aufbereitung und Weitergabe von Erkenntnissen des technologischen und physikalischen Schaummanagements der zentrale Bestandteil des Projektes.
Die Forschung basiert dabei auf der Arbeitshypothese, dass für die Schaumentstehung unter Siedebedingungen die Art der Erzeugung der Brüdenphase einen entscheidenden Einfluss auf die Schaumdynamik und damit auch auf Maßnahmen der Schaumprävention und –zerstörung hat. Prozessparameter, die in komplexen, kausalen Zusammenhängen mit Schaumbildungen in industriellen Destillationsanlagen stehen, werden entsprechend analysiert. Aus den Experimenten werden geeignete schaumregulierende bzw. -zerstörende Wirkmechanismen, apparative Gestaltungen, Prozessschritte und Betriebsweisen abgeleitet, um Betriebsstörungen zu verhindern. Die Maßnahmen umfassen dabei sowohl den Einbau modularer Erweiterungen in die Anlagen zur Implementierung additiver Schaummanagementsysteme, als auch prozessbezogene und technologisch-physikalische Verfahren der Schaumkontrolle und -prävention.
Versuche und Ansätze
Die Versuche zur Erforschung der Schaumentstehung und des Schaummanagements werden auf zwei unterschiedlichen, industrierelevanten Destillationsanlagen durchgeführt. Die Forschungsstellen (FS) verfügen über eine Batch-Kolonne für das Herstellen von hochqualitativen Destillaten der Lebensmittelindustrie (FS1) und eine Packungskolonne mit Naturumlaufverdampfer (FS2), wie sie in der chemischen Industrie verwendet wird. Für die Erforschung der Schaumdynamiken in den Systemen rüsten die FS die vorhandenen Anlagen um. Die Umrüstungen beinhalten den Einbau von Messinstrumenten zur Ermittlung und Aufzeichnung von Schaumständen und Prozessparametern zur Schaumentstehung, sowie zur stofflichen und energetischen Bilanzierung. Im Zuge der Umrüstung werden ebenfalls Schaumzerstörungs- oder –rückhalteeinrichtungen (Beregnung, Ultraschall und Koaleszenzhilfen) in die Anlagen eingebracht.
Der Fokus des Versuchsaufbaus des lebensmitteltechnologischen Bereichs (FS1) liegt auf einer systematischen Untersuchung maischebürtiger Schaumentstehung und deren Wechselwirkungen mit prozessrelevanten Betriebsgrößen im destillativen Prozess. Entsprechend werden als erster wesentlicher Schritt verschiedene Obst- und Getreidemaischen auf ihr Potential zur Schaumentstehung untersucht. Daneben ist für die Erarbeitung wissenschaftlicher Erkenntnisse, die auf natürlichen Umwandlungsprozessen beruhen, eine detaillierte Substratcharakterisierung dieser Maischen Grundlage für weitere Bezüge. Durch fortführende Versuche wird FS1 diese Charakteristika der Maischen mit Prozessierungsparameter und Schaumentstehungen in der Batch-Destillationskolonne ins Verhältnis setzen. Aus den gewonnenen Ergebnissen werden physikalische Prozessierungsparameter für die Schauminhibierung in praxisübliche Destillationssysteme der Lebensmittelindustrie abgeleitet.
FS2 konzentriert sich auf die quantitative Charakterisierung der Schaumdynamik von verschiedenen Stoffsystemen, insbesondere von wässrigen Amingemischen. Als Grundlage dient die Erstellung umfassender, konsistenter Massen- und Energiebilanzen für alle Anlagen. Um Aufschluss über kolonneninterne Konzentrationsprofile und die realisierte Entgeistungsleistung zu gewinnen, wird FS2 außerdem eine begleitende Fließbildsimulation mit der kommerziellen Software CHEMCAD für die untersuchten Stoffsysteme und Kolonnen erstellen.
Beide FS konzentrieren sich anschließend auf die Erforschung passiver und aktiver Beeinflussbarkeit von störenden Schäumen. Dabei kommen definierte Verfahrensschritte und aktive prozessregulierende bzw. prozessinvasive Methoden in den jeweiligen Anlagen zum Einsatz. Bei der Erforschung der passiven Beeinflussbarkeit von Schäumen wird in Abhängigkeit vom Destillationssystem die Schaumbildungsdynamik durch betriebliche, prozessliche und apparative Maßnahmen überprüft. Für Versuche zur Charakterisierung aktiver Maßnahmen zur Schauminhibierung und -zerstörung kommen insbesondere solche Maßnahmen zum Einsatz, deren Wirksamkeit und vorteilhafte Betriebsweise im Labormaßstab (TP4), in Einzellagenexperimenten (TP5) oder auf Basis von Simulationsstudien (TP8) nachgewiesen oder als effizient bewertet wurden.
Als abschließender Schritt erfolgt die Weitergabe der durch die FS gewonnenen Erkenntnisse an die Industrie. Dies wird in der Form eines Prognosetools realisiert, welches die aufbereiteten Erkenntnisse bündelten und ein eines Instrumentarium für die Schaumbildung und zum Schaummanagement.


Forschungsstelle 1:
Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie FG Hefegenetik und Gärungstechnologie
Universität Hohenheim
Institutsleiter: Prof. Dr. Ralf Kölling
Projektleiter: Dr. Daniel Einfalt
Mitarbeiter: Daniel Heller, M.Sc.
Forschungsstelle 2:
Institut für Chemische und Thermische Verfahrenstechnik
Technische Universität Braunschweig
Institutsleiter: Prof. Dr. Stephan Scholl
Projektleiter: Dr. Katharina Jasch
Mitarbeiter: Rolf Staud, M.Sc.